„Moderne Führung bedeutet auch Coach und Berater sein“
Interview mit Dr. Wolfgang Klotz von Teva/Ratiopharm
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Februar 2021
Im Winter 2019 starteten wir mit einem Pilot-Team unter der Leitung von Dr. Wolfgang Klotz eine Transformation in Richtung selbstorganisiertes Arbeiten und kamen dabei an den Themen Kulturwandel und Veränderung, neue Führung und Verantwortung nicht vorbei. In diesem Interview geht es darum, wie Wolfgang Klotz diesen Prozess wahrgenommen hat, was er mitgenommen hat und was noch auf ihn zukommt.
Als wir mit der Transformation gestartet sind, hattest du einen großen Wunsch nach Veränderung. Weißt du noch, woher dieser kam und was dir dabei wichtig war?
Wolfgang Klotz: Der Wunsch kam daher, dass ich bei vielen meiner Mitarbeiter gewisse Überlastungen gesehen habe und gleichzeitig sehr oft Entscheidungen als alleiniger Kompetenzträger treffen wollte.
Dabei habe ich gemerkt, dass meine Entscheidungen nicht immer optimal waren und die Experten in den Teams eigentlich eine andere Rolle brauchten, mit mehr Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum.
Und wie hast du dir die Transformation am Anfang vorgestellt?
Wolfgang Klotz: Meine erste Vorstellung war, dass es schnell gehen würde. Man bespricht die neuen Aufgaben und setzt diese dann um. Die Realität stellte sich dann anders dar. Das erste, was mir klargeworden ist, war, dass eine Transformation hin zu mehr Selbstorganisation nicht alle gut finden. Viele haben gemerkt, dass wenn sie mitentscheiden und Verantwortung übernehmen, dass dies eine Veränderung ihrer Position bedeutet, die auf ersten Blick nicht mehr so komfortabel ist. Man konnte nicht mehr sagen: „Okay, der Chef hat entschieden, ich mach das so.“ Und der zweite Punkt war dann, dass eine Verhaltensänderung, selbst wenn man sie will, schwer ist. Ein Rückfall in alte Muster ist vor allem am Anfang viel einfacher als das Neue umzusetzen.
Für alle wahrscheinlich.
Wolfgang Klotz: Ja, sowohl für mich als auch für meine Mitarbeiter. Da muss man dann auch mal sagen: „Ich helfe dir gern, aber nicht so, dass ich die Entscheidung treffe. Ich kann auf dem Weg helfen, wie die Entscheidung getroffen wird.“ Und das Muster zu durchbrechen ist für Mitarbeiter, aber auch für mich selbst, schwierig gewesen.
Denkst du dann auch manchmal „Ich hätte jetzt die perfekte Lösung. Was machst du denn dann so lange rum…“?
Wolfgang Klotz: Am Anfang musste ich auch mal damit leben, dass die ersten Schritte nicht immer die gleiche Lösungsqualität und Geschwindigkeit hatten. Die Summe der Entscheidungen hat sich aber schnell verbessert. Wenn ich auf einzelne Entscheidungen schaue, denke ich manchmal, dass ich das anders gemacht hätte. Wenn ich aber auf 20 Entscheidungen blicke, so ist die Summe deutlich besser.
Und würdest du sagen, ihr fallt jetzt immer noch manchmal zurück in alte Muster?
Wolfgang Klotz: Natürlich fallen wir zurück. Aber es gibt Bereiche, in denen wir es schon raushaben, in denen wir viele Dinge geklärt haben. Aber es kommen auch immer wieder Themenkreise, die ganz neu sind, bei denen ich denke, dass ich das lieber nochmal selbst mache.
Selbstorganisation heißt ja nicht, dass du gar keine Lösungsvorschläge liefern kannst.
Wolfgang Klotz: Nein, das heißt es sicher nicht, aber die Art und Weise, wie ich meine eigenen Vorschläge einbringe, hat sich verändert. Ein wichtiger Lernprozess für beide Seiten war, dass Lösungsansätze nichts mit Hierarchie zu tun haben. Das fällt auch mir nicht immer leicht.
Unsere Führungsrollen fußten ja bisher auch darauf, dass man durch Redezeiten die eigenen Ideen nach vorne gebracht hat. Gemeinsam Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu verteilen ist ja ein neues Thema, was es in den Neunzigern oder Anfang der 2000er so nicht gab. Dinge, die über ganz lange Zeit gelernt wurden, dann zu durchbrechen – das dauert.
Erinnerst du dich noch an die Change-Kurve, die wir mal mit euch durchgegangen sind? Was genau macht das Modell denn so spannend für dich?
Wolfgang Klotz: Ja klar erinnere ich mich. Ich frage mich die ganze Zeit: Hat die Transformation mittelfristig einen positiven Einfluss auf unsere Geschäftszahlen oder ist es eine Veränderung, die sich hauptsächlich in der Zusammenarbeit niederschlägt?
Wo würdest du denn sagen stehst du gerade auf der Kurve?
Wolfgang Klotz: Zwischen 4 und 6, also zwischen der Akzeptanz, ich muss alte Gewohnheiten loslassen, über wir testen Neues, auch mit einem gewissen Frustrationspotenzial und der Erkenntnis, dass uns manches hilft und manches auch nicht.
Gab es eine Situation, in der du gemerkt hast, dass es für dein Team ganz schwer war?
Wolfgang Klotz: Fast jede Situation war für das Team eine echte Herausforderung, jeder einzelne musste immer wieder aus der eigenen Komfortzone raus und muss das immer noch. Es ist ein Stresstest für die Organisation, alte Muster, in denen man sich wohlfühlt, zu verlassen. Die ganze Coronasituation hat natürlich nicht dazu geführt, dass es leichter wird, weil eben genau diese Krisensituation ein Rückfall in alte Muster viel leichter macht. Mein Eindruck war, dass es nochmal ein bisschen härter ist, sich im Krisenmodus zu verändern.
Gab es einen Moment, wo du gemerkt hast „Wir sind auf dem richtigen Weg“?
Wolfgang Klotz: Also an ein paar Stellen hat man es dann schnell gespürt, da war ich auch überrascht. Vor allem wenn man in interdisziplinären Gruppen gearbeitet hat, hat man von den Pilot-Leuten gespürt, dass sie plötzlich Verantwortung für Dinge übernehmen, wie sie es vorher nicht getan hätten. Dieses „Irgendjemand sollte mal irgendwas tun“, das kam nicht mehr. Es ging mehr über in ein „An der Stelle haben wir ein Problem, insgesamt, wie können wir es lösen? Wer möchte dran mitarbeiten?“ Da haben sie sich Verantwortung ans Bein gebunden. Und die, die nicht in der Pilot-Gruppe waren, haben gesagt: „Die anderen wirken plötzlich zufriedener. An was liegt das?“ Die Verantwortung und zusätzlichen Aufgaben waren nicht lästig, sondern führten zu Power, Erfüllung und Engagement. Das war gut.
Wenn du jetzt mal auf dich guckst und auf deine Führungsrolle: Was bedeutet Führung heute für dich?
Wolfgang Klotz: Führung bedeutet heute für mich viel weniger Mikromanagement als früher. Führung bedeutet für mich auch, Rahmen zu geben, damit andere sich selbst um Themen kümmern können. Führung bedeutet für mich, die große Richtung vorzuzeichnen, und nicht die kleinen Pfade innerhalb dieser Richtung. Ein Teil meiner Führung ist sicher, immer wieder die losen Enden zusammenzuführen, die Richtung zu zeigen und aufzupassen, dass sich die einzelnen Themen nicht überschneiden.
Wann würdest du sagen, lässt du dich gerade von deinen Mitarbeitern führen?
Wolfgang Klotz: Ich glaube, was sich deutlich geändert hat: Meine Redezeit ist weniger geworden und meine Zuhörzeit mehr. Natürlich führen die Mitarbeiter vor allem mit den ganzen Dingen, die das Tagesgeschäft betreffen, viel stärker als vorher. Da übernehmen sie die Verantwortung und ich habe da eher noch eine beratende Funktion.
Also ist deine neue Führungsrolle und wie du Führung siehst, auch Berater sein?
Wolfgang Klotz: Meine Rolle ist sicher einerseits Berater und Coach, andererseits Impulsgeber. Und zum Impulse geben gehört natürlich auch dazu, Impulse von außen aufzunehmen.
Was ist für dich der größte Vorteil der ganzen Transformation?
Wolfgang Klotz: Der größte Vorteil ist für mich, dass der Ausfall von einzelnen Entscheidungsträgern nicht mehr die ganze Organisation so schwächen kann. Es gibt nicht mehr nur einen Kopf und wenn der wegfällt, dann sind alle kopflos. Dadurch werden Verzögerungen vermieden.
Dadurch werden Verzögerungen vermieden. Es entsteht eher insgesamt ein kontinuierlicher Fluss. Dadurch wird sich die Geschwindigkeit für die Firma erhöhen und für den einzelnen die Taktung hoffentlich verringern. Meine Vision: Alles geht schneller, ohne dass einzelne schneller rudern müssen, weil man gemeinsam rudert.
Die Kurve, übertragen aus den Forschungen von Elisabeth Kübler-Ross (1971), zeigt die Stufen eines Veränderungsprozesses, den Menschen durchlaufen.
Die Kurve eignet sich, um die aktuelle Situation von Menschen in Transformationsprozessen zu nutzen. Nutzt sie doch gerne für euer Team, um regelmäßig eure aktuelle Situation in der Transformation zu erfassen und besprechbar zu machen. Dabei können alle an verschiedenen Punkten stehen und auch ein „zurück“ auf der Kurve ist möglich. Keine Position ist dabei besser als die andere.
Sie wollen noch mehr zu moderner Führung, der Change-Kurve, Transformationsprozessen oder wie wir arbeiten erfahren? Dann kontaktieren sie uns.